Fatigue bei Krebs

Die Spätfolgen der Krebsbehandlung begannen bei Sabine Schreiber ein Jahr nach Behandlungsende, als sie bereits wieder im Berufsleben stand. Ein belastendes dauerndes Gefühl von Erschöpfung und Schwäche, das sich auch durch viel Schlaf oder Erholungspausen kaum ausgleichen lässt, so beschreibt sie ihre Symptome, „ähnlich wie bei einer aufkommenden Erkältung“. Der Fachbegriff für die Erschöpfung lautet tumorbedingte Fatigue. „Das Schlimme daran ‒ Umfeld und Arbeitgeber verstehen die Situation oft nicht“, sagt sie. „Alle denken, man ist geheilt, und damit sei es doch jetzt alles wieder gut.“

Ihre Strategie für den Umgang damit: „Kräfte einteilen und auch mal Nein sagen.“ Außerdem hat sie mit Claudia Mohr eine Selbsthilfe gegründet, die sich mittlerweile zu einer Interessenvertretung entwickelt hat: Leben nach Krebs! e.V. Der Austausch mit anderen Betroffen hilft sehr, die eigene Situation zu akzeptieren und gemeinsam nach vorne zu schauen.

Wie kommt es zu einer Tumorfatigue?

Sowohl die Krebserkrankung an sich als auch Chemotherapie, Bestrahlung und zielgerichtete Therapien können Auslöser sein. Der genaue Entstehungsweg ist allerdings nicht klar. Wahrscheinlich spielen verschiedene Faktoren zusammen. Experten diskutieren, ob zu wenige rote Blutkörperchen, Störungen im Flüssigkeits- und Hormonhaushalt, eingeschränkte Lungenfunktion, Schmerzen sowie abnehmende Leistungsfähigkeit von Herz, Nerven und Muskeln mögliche Einflussfaktoren sein könnten.

Wie häufig tritt sie auf?

Während der Krebstherapie klagen 40 bis 90 Prozent der Betroffenen über entsprechende Beschwerden, die aber in der Mehrzahl der Fälle wieder zurückgehen. Bei 20 bis 30 Prozent der Krebspatienten bleibt die Fatigue aber nach der Therapie bestehen oder entwickelt sich später. Nicht alle Tumorpatienten sind gleichermaßen gefährdet. Besonders oft tritt die Fatigue bei Leukämien, Lymphomen und metastasiertem Brustkrebs auf, ebenso im Zusammenhang mit Chemo- und Strahlentherapie.

Typische Anzeichen Fatigue

  • geringe körperliche Leistungsfähigkeit
  • anhaltende Müdigkeit, auch tagsüber
  • Gefühl schwerer Gliedmaßen
  • ähnlich wie bei Depression nachlassendes Interesse, Traurigkeit, Ängste,
  • Konzentration- und Gedächtnisstörungen
  • Lärmempfindlichkeit

Diagnose

Die Symptome der chronischen Fatigue sind unspezifisch und können auch Anzeichen anderer Erkrankungen sein. Deshalb müssen zunächst alle anderen in Frage kommenden Krankheiten ausgeschlossen werden, und zwar durch internistische und neurologische Untersuchungen sowie Bluttests. Durch einen Check der Essgewohnheiten lässt sich eine eventuelle Fehl- oder Mangelernährung aufdecken. Bei der Untersuchung ist auch die Selbsteinschätzung des Patienten gefragt. Dazu kann der Arzt oder Psychologe den Patienten bitten, einen Fragebogen auszufüllen.

Depression oder Fatigue?

Beides kann gleichzeitig oder nacheinander auftreten. Und weil sich die Symptome überschneiden, fällt die Unterscheidung nicht immer leicht. Manchmal ergeben sich aber Hinweise aus der Vorgeschichte des Betroffenen, wenn es beispielsweise früher schon einmal depressive Phasen gegeben hat.

Was hilft?

Tumorfatigue ist ein vielschichtiges Krankheitsbild; deshalb müssen die Betroffenen unterschiedlich behandelt werden. Organische Störungen wie Blutarmut, Mangelernährung oder Störungen im Flüssigkeits- sowie Hormonhaushalt lassen sich durch entsprechende therapeutische Maßnahmen behandeln. Darüber hinaus können die Betroffenen selbst einiges tun:

  • durch Einteilen der vorhandenen Kraftreserven
  • durch körperliche Aktivität: Neben Sport sind es die kleinen Dinge, die aktiv halten, etwa die Nutzung der Treppe anstelle des Aufzugs.
  • durch Stressreduktion und Entspannungsübungen. Auch die Anpassung eigener Verhaltensmuster an die veränderte Lebenssituation, zum Beispiel durch einen möglichst regelmäßigen Schlaf- und Wachrhythmus sowie einen gut strukturierten Tagesablauf kann helfen.

Bewegungstraining

Sport hilft, Fatigue vorzubeugen oder bereits vorhandene Erschöpfungssymptome zu verringern.

  • Empfehlenswert: zügiges Gehen, Radfahren, Schwimmen, Nordic Walking oder Rudern. Auch Yoga, Tanzen oder ein angeleitetes Krafttraining können sinnvoll sein.
  • Überanstrengung unbedingt vermeiden – sie kann die Fatigue weiter verstärken.
  • Wer mit dem Training während der Therapie im Krankenhaus anfängt, findet leichter den sportlichen Einstieg. Der Arzt sollte zuvor die individuelle Sporttauglichkeit prüfen.
  • Behutsam mit dem Training anfangen und in kleinen Schritten steigern.
  • In einer Reha-Sportgruppe findet man Gleichgesinnte, die sich gegenseitig unterstützen und motivieren können.

Was Angehörige wissen sollten

Für die Betroffenen ist es oft schwer, einem Außenstehenden die empfundene starke Erschöpfung begreiflich zu machen, vor allem, wenn die eigentliche Krebstherapie bereits überstanden ist. Die beste Hilfe besteht darin, die Beschwerden des Patienten zu akzeptieren und darauf Rücksicht zu nehmen. Wer sich überfordert fühlt, sollte sich nicht scheuen, professionelle Hilfe zu holen.

Wo kann man sich beraten lassen?

Weiterführende Literatur

  •  Fatigue – Chronische Müdigkeit bei Krebs. Eine Veröffentlichung der Deutschen Krebshilfe und der Deutschen Krebsgesellschaft. Bestellung und Download
  • Fatigue – Erschöpfung bei Krebs: www.krebsinformationsdienst.de
  • Bewegung gegen Krebs: Informationsfaltblatt für Patientinnen und Patienten. Eine Veröffentlichung der Deutschen Krebshilfe und der Deutschen Krebsgesellschaft. Bestellung und Download

Fachberatung: PD Dr. Georgia Schilling, Asklepios-Klinik Hamburg Altona

Bitte beachten Sie, dass dieser Artikel nur zur Orientierung dient und keine fachliche oder medizinische Beratung ersetzen kann.


 
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